Stellungnahme des Arbeitskreises Empirische Polizeiforschung zur Kritik der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz (HdP RLP) am Forschungsprojekt KViAPol (Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamtinnen)

Der Arbeitskreis Empirische Polizeiforschung sowie die weiteren Unterzeichnerinnen dieser Resolution beziehen Stellung und äußern ihre Bedenken zu der aktuell formulierten Kritik der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz an dem Forschungsprojekt KViAPol der Ruhr-Universität Bochum. Die Kritik ist sowohl in Inhalt als auch Form fragwürdig und schadet der Debatte um eine professionelle Polizei(arbeit) in Deutschland.
Im elektronischen Brief an alle Bildungseinrichtungen der deutschen Polizei schreibt der Direktor der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz, dass als ein Ergebnis der KViAPol-Studie festgestellt wurde, dass die deutsche Polizei rassistisch sei und ein Gewaltproblem habe. Diese Aussage findet sich weder im Zwischenbericht 1 noch im Zwischenbericht 2 des Projektes. Wir verwahren uns gegen solche Falschbehauptungen, mit denen deutlich eine aversive Stimmung gegen die Untersuchung forciert wird.

Die KViAPol-Studie untersucht erstmalig in Deutschland polizeiliche Gewaltanwendung aus Sicht der Betroffenen. Von einer repräsentativen Erhebung ist dort ausdrücklich nicht die Rede. Mit der Erhebung der subjektiven Deutung von Opfern bedient sich das Projekt einer etablierten Herangehensweise sozialwissenschaftlicher Forschung, um einen Beitrag zur Erhellung des Dunkelfeldes zu erbringen. Prominent ist diese Herangehensweise etwa durch Studien häuslicher Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen oder Gewalt gegen Polizeibeamtinnen. Insbesondere an der großen Online-Studie des KFN im Jahr 2009 (Polizeibeamte als Opfer von Gewalt) wurde von Seiten der Polizei keinerlei Kritik an der Methode geübt, obwohl sie jener der Universität Bochum sehr ähnlich war. Bei der KViAPol-Untersuchung handelt sich ebenso um eine Betroffenenstudie, die die subjektiven Erfahrungen und Einschätzungen derjenigen Menschen erhebt, die aus ihrer Sicht unrechtmäßige Gewalt erlebt haben. Dies erfolgt professionell und in ihrer Aussagekraft methodisch reflektiert, um sich dem Dunkelfeld unrechtmäßiger Gewaltanwendung anzunähern – nachzulesen in den beiden vorgelegten Zwischenberichten, etwa: „Die vorliegende Auswertung ermöglicht Aussagen darüber, inwiefern Personen mit Migrationshintergrund und PoC [Person of Colour] im Kontext polizeilicher Gewaltausübung nach der vorliegenden Datenlage andere Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben als (weiße) Personen ohne Migrationshintergrund. Sie kann jedoch mangels repräsentativer Stichprobe keine Aussagen dazu treffen, ob diese Personen in Deutschland häufiger von rechtswidriger polizeilicher Gewaltausübung betroffen sind als Personen ohne Migrationshintergrund bzw. weiße Deutsche. Auch Aussagen über Diskriminierungen in Situationen, in denen es nicht zu Gewalt gekommen ist, sind nicht möglich.“ (Abdul-Rahman, Laila; Espin Grau, Hannah; Klaus. Luise; Singelnstein, Tobias (2020): Rassismus und Diskriminierungserfahrungen im Kontext polizeilicher Gewaltausübung. Zweiter Zwischenbericht zum Forschungsprojekt „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamtinnen“ (KviAPol). Hg. v. Ruhr-Universität
Bochum, Forschungsprojekt KviAPol, Lehrstuhl für Kriminologie, S.8 f.)
Über die Veröffentlichung der Zwischenergebnisse hinaus stellen die Mitarbeiterinnen des Projektes ihre Ergebnisse in zahlreichen Vorträgen und Gesprächsrunden zur Diskussion. Damit stellen sie sich offen inhaltlicher Kritik, um ihren Erkenntnisgewinn weiter zu entwickeln. Dieses Vorgehen ist aus wissenschaftlicher Sicht professionell, erkenntnisorientiert und – im Sinne des Erkenntnisgewinns – kritikfähig. Die von verschiedenen Akteurinnen aus der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz
geäußerte Kritik verkennt oder ignoriert die wissenschaftlich fundierte Qualität des
Projektes und vergibt die Chance auf eine inhaltlich und/oder methodisch differenzierte
Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen des Projektes, die sehr wohl zu
begrüßen wäre. Stattdessen wird – ohne eine Bezugnahme auf aktuelle methodologisch-
methodische Diskussionen – das Vorgehen der Untersuchung pauschal kritisiert
und lächerlich gemacht. Darüber hinaus werden die Forscherinnen diskreditiert – beide Aspekte sind auf einem Plakat der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz visuell offen dargestellt. Wir missbilligen diese Art der Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Studien. Wir sind in besonderem Maße irritiert, dass die Leitung einer polizeilichen Hochschule hier maßgeblich beteiligt ist. Die Kritik an der Studie erfolgt den forschenden Personen gegenüber respektlos und verschließt sich einer konstruktiven, erkenntnisorientierten Auseinandersetzung mit dem Thema ‚Polizeigewalt‘. Diese Form der abwertenden und einschnappende Reflexe bedienenden Kritik erweist der Organisation Polizei einen Bärendienst, denn sie verhindert eine systematische Auseinandersetzung mit strukturellen, organisationalen Bedingungen, die illegitime Gewaltanwendung im Polizeidienst ermöglichen bzw. begünstigen. Diese undifferenzierte Ablehnung der Projektergebnisse behindert damit die Möglichkeit organisationalen Lernens der Polizei, woran insbesondere eine polizeiliche Ausbildungsstätte eigentlich ein starkes Interesse haben sollte. Auf diese Weise präsentiert sich eine Polizei, die die Vorurteile hinsichtlich pauschaler Abwehrreflexe und Wissenschaftsferne nur bestätigt. Die Hochschule lässt in ihrer Kritik die Gütekriterien wissenschaftlichen Arbeitens außer Acht – trotz eigenem Bekenntnis zu fachwissenschaftlichen Kriterien. Ziel des Arbeitskreises ist es, den Austausch zwischen Polizeiforscherinnen und
Polizeipraktiker*innen zu fördern, wissenschaftliche Forschungsergebnisse mit praktischen
Herausforderungen oder konzeptionellen Herangehensweisen diskursiv zu
verbinden, unterschiedlichste Perspektiven auf Polizei zu reflektieren und somit die Chance eines konstruktiv-kritischen Dialoges zu eröffnen. Diese interdisziplinäre Ausrichtung, die Vielfalt der Themenstellungen und der scheuklappenfreie Dialog zeichnen die Aktivitäten unseres Arbeitskreises aus. In diesem Sinne mahnen wir eine
respektvolle und wissenschaftlich fundierte, gleichwohl kritische Diskussion von
Erkenntnissen über Polizei an.

19. Februar 2021


Prof. Dr. Rafael Behr
Dipl.-Pol., Dipl.-Psych. Hermann Groß
Dr. Nathalie Hirschmann
Dr. Daniela Hunold
Dr. Astrid Jacobsen
Prof. Dr. Anja Mensching
LPD Peter Schmidt
Prof. Dr. Marcel Schöne

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