Videoüberwachung von Demonstrationen

„Videoüberwachung von Versammlungen und Demonstrationen. Praxis und Wissensformen von Polizei und Protestierenden“ (ViDemo)

gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Kurzbeschreibung:

Seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983 wird in der Rechtsprechung angenommen, dass Überwachung von der Wahrnehmung von Grundrechten wie dem der Versammlungsfreiheit abschrecken könne. Die Untersuchung dieser Frage steht bisher jedoch aus. Sie soll mit dem Forschungsprojekt ViDemo beantwortet werden, welches zugleich einen Beitrag zum Verständnis moderner Institutionen der Sozialkontrolle, insbesondere Videoüberwachung leistet. In einem Grounded-Theory-Design werden verschiedene Erhebungsverfahren kombiniert. Gruppendiskussionen mit politischen AktivistInnen und der Polizei sowie ethnographische Beobachtungen entsprechender Ereignisse werden durch ExpertInneninterviews und Dokumentenanalysen ergänzt.

Das Projekt ViDemo untersucht die Praxis der Videoüberwachung politischer Versammlungen und Demonstrationen sowie deren Auswirkungen aus der Perspektive von Wissenssoziologie, Surveillance Studies, Polizei- und Protestforschung. Im Zentrum des Interesses stehen Wissensformen und gegenseitige strategische Bezugsnahmen von Beteiligten und Betroffenen (Polizei und Demonstrierende). Im Einzelnen werden untersucht:

A) Polizeipraxis und professionelles Wissen: Wann, warum und wie bringt die Polizei Videoüberwachung von Versammlungen zum Einsatz. Das Augenmerk liegt neben den institutionellen (Polizeikultur) auf den subjektiven Wissensstrukturen (bspw. Kategorisierungen) und Erwartungen sowie der Herstellung dieses Wissens und entsprechender Praktiken in der alltäglichen Interaktion der Einsätze und Kommunikation unter Kolleg/innen (Polizist/innenkultur). Außerdem werden die Auswirkungen auf Ermittlungsarbeit und Gerichtsverfahren erforscht.

B) Auswirkungen auf Teilnehmer/innen: Untersucht werden direkt handlungsleitende und situationsbezogene Effekte auf Versammlungsteilnehmer/innen, besonders die Auswirkungen auf das Demonstrationsverhalten (Raumnutzung, Handlungsrepertoires, Schutz vor Überwachung, Gegenüberwachung, Disziplinierung/Pazifizierung oder Radikalisierung) sowie persönlichkeits- und einstellungsformende Auswirkungen (auf die Neigung zur Teilnahme an Demonstrationen und generell politische Partizipation, Demokratiezufriedenheit, politische Selbstwirksamkeitserwartung, Entfremdung, Anregungen zu Reflexion und Selbstmanagement, Internalisierung von Kontrolle).

C) Interaktion und Rückkopplung: Polizeipraxis und die Umgangsweisen der Aktivist/innen werden zudem in ihrer gegenseitigen Bezugnahme betrachtet. Dabei geraten konkrete Interaktionen auf Demonstrationen sowie aufeinander bezogene taktische Adaptionen und möglicherweise ausgelöste Dynamiken einer Überwachungs-Gegenüberwachungs-Spirale in den Blick.

Projektposter

Veröffentlichungen:

Ullrich, Peter/Knopp Philipp 2018: Protesters’ Reactions to Video Surveillance of Demonstrations. Counter-Moves, Security Cultures, and the Spiral of Surveillance and Counter-Surveillance. In: Surveillance & Society 16 (2), S. 183–202, online.

Ullrich, Peter 2018: Subtile Autorität und prekäre Legitimität der Videoüberwachung von Demonstrationen. Praxen und Wissensformen von Polizei und Protestierenden. In Anja Mensching und Astrid Jacobsen (Hg.): Polizei im Spannungsfeld von Autorität, Legitimität und Kompetenz. Empirische Polizeiforschung XXI. Frankfurt am Main: Verlag für Polizeiwissenschaft. S. 121-133.

Ullrich, Peter 2018: Researching Police in/under Protest. Police Research as a Journey of Discovery with Obstacles. (ipb Working Papers No. 01–2018). Berlin: Institut für Protest- und Bewegungsforschung, online.

Ullrich, Peter 2018: Polizei im/unter Protest erforschen. Polizei-forschung als Entdeckungsreise mit Hindernissen, in C. Howe & L. Ostermeier (Hg.): Polizei und Gesellschaft. Transdisziplinäre Perspektiven zu Methoden, Theorie und Empirie reflexiver Polizeiforschung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Ullrich, Peter 2018: Videoüberwachung von Demonstrationen und die Definitionsmacht der Polizei. Zwischen Objektivitätsfiktion und selektiver Sanktionierung (TUTS Working Papers 02–2018). Berlin: Technische Universität, online.

Ullrich, Peter 2017: „Normalbürger“ versus „Krawalltouristen“. Polizeiliche Kategorisierungen von Demonstrationen zwischen Recht und Soziologischem Ermessen. In Karlheins Liebl (Hg.): Empirische Polizeiforschung XX. Polizei und Minderheiten. Frankfurt am Main: Verlag für Polizeiwissenschaft. S. 61–97.

Knopp, Philipp/Müller-Späth, Frederike 2017: Protestereignisse und Videoüberwachung. Eine ethnografische Studie. In: Institut für Protest- und Bewegungsforschung https://protestinstitut.eu/wp-content/.

Ullrich, Peter 2017: Postdemokratische Empörung. Ein Versuch über Demokratie, soziale Bewegungen und gegenwärtige Protestforschung. In Tino Heim (Hg.): Pegida als Spiegel und Projektionsfläche. Wechselwirkungen und Abgrenzungen zwischen Pegida, Politik, Medien, Zivilgesellschaft und Sozialwissenschaften. Wiesbaden: Springer VS. S. 217–251.

Knopp, Philipp/Ullrich, Peter 2016: Kampf um die Bilder. Videoüberwachung und Gegenüberwachung von Demonstrationen in Österreich. In: Juridikum. Zeitschrift für Kritik, Recht, Gesellschaft, (4), S. 527–537, online.

Arzt, Clemens/Ullrich, Peter 2016: Versammlungsfreiheit versus polizeiliche Kontroll- und Überwachungspraxis, in: vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, No. 1, S. 46-60, online.

Ullrich, Peter 2014: Protest und technische Überwachung. Das Beispiel Videoüberwachung, Forschungsjournal Soziale Bewegungen 4-14, S. 40-50, http://www.fjnsb.org/sites/default/files/downloads/fjsb_2014-4_ullrich.pdf.

Ullrich, Peter 2012: Gesundheitsdiskurse und Sozialkritik – Videoüberwachung von Demonstrationen Zwei Studien zur gegenwärtigen Regierung von sozialen Bewegungen und Protest, München: DJI, ISBN: 978-3-86379-076-9, kostenloser Download

Ullrich, Peter 2012: Videoüberwachung von Demonstrationen. Empirische Befunde zu ihrer Wirkung, RAV-Informationsbrief #107, S. 21-27, online.

Ullrich, Peter; Wollinger, Gina 2011: Videoüberwachung von Versammlungen und Demonstrationen – Blick auf ein verwaistes Forschungsfeld, in: Zurawski, Nils (Hrsg.): Überwachungspraxen – Praktiken der Überwachung. Analysen zum Verhältnis von Alltag, Technik und Kontrolle, Opladen: Budrich UniPress, 139-157.

Ullrich, Peter; Wollinger, Gina 2011: A Surveillance Studies Perspective on Protest Policing. The Case of Video Surveillance of Demonstrations in Germany, Interface – A Journal for and about Social Movements 3 (1), special issue on Repression and Social Movements, pp. 12-38, http://www.interfacejournal.net/wordpress/wp-content/uploads/2011/05/Interface-3-1-Ullrich-and-Wollinger.pdf [23.5.2011].

TU-Projektseite: http://bit.do/videmo2

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